Ein neues Zuhause

2014

150 x 120 x 5 cm

Acryl, Interferenzpigmente, Crackle- Modelliermasse und Glassplitter auf Leinwand

Detailansichten:

Ein Heiligtum sollen sie mir machen, dass ich einwohne in ihrer Mitte.“ (Exodus 25.8)

lautet die älteste religiöse Aufforderung innerhalb des Judentums ein Gebetshaus zu errichten.

Pawel Pisetzki setzt in seinem Werk Ein neues Zuhause die Bedeutung der Synagoge ins Zentrum und vereint dabei gleichzeitig den schon immer bestehenden Stellenwert der Synagoge mit deren gegenwärtiger und zukünftiger Bedeutung innerhalb des Judentums und mit einem regionalen Bezug zu dem Land Sachsen-Anhalt.

In der rabbinischen Literatur wird die Synagoge nicht allein als Ort des Gebets erwähnt, sondern zudem als Ort der Versammlung und als Ort des Lernens, wobei dabei das religiöse Studium der Thora gemeint ist. Pisetzki konzentriert sich in seinem Werk insbesondere auf die Rolle der Synagoge als Haus der Versammlung und des Zusammentreffens.

Die für sein künstlerisches Schaffen bezeichnende Materialvielfalt zeigt sich auch in diesem Werk Pisetzkis. Das Bild wurde in Schichten unterschiedlicher Materialien aufgebaut. Auf der gesamten Leinwand wurden zunächst verschiedene „Himmelblau“-Töne, eine Mischung aus Weiß, Cyan- und Königsblau und mit Wasser verdünntem Acryllack, eingesetzt. Diese wurden in drei parallelen Richtungen, ähnlich denen des Interferenz-Davidsterns in der Mitte des Bildes, aufgetragen.

Auf die blaue Farbschicht wurden parallel zueinander liegende Linien in drei Richtungen aufgetragen, für die von den Rändern bis kurz vor der Mitte des Bildes schwarz verwendet wurde und zur freiliegenden Mitte hin in Interferenz-gelb übergehen. Zieht man die Linien in Gedanken weiter bis zur Bildmitte, ergibt sich dadurch eine fast unübersichtliche Menge an Davidsternen. Diese ersten Farbschichten wurden zunächst mit Kappaplex versiegelt und daraufhin eine Grundierung für die anschließenden mit Cracklepaste bearbeiteten Flächen aufgetragen. Die Crackleflächen wurden um die freie Bildmitte herum, bis über die Ränder der Leinwand, an den Rändern großflächig, zur Mitte hin in einer Vielzahl von „Inseln“ unterschiedlicher Formen, angeordnet. Auf die „Crackleinseln“ wurden mit harter Modelliermasse gebirgskettenartige Strukturen abgebildet. Anschließend wurde erneut Cracklepaste verwendet, um die mit Gebirgsstrukturen aufgearbeiteten Flächen zu fixieren. Die Modellagen wurden weiterhin mit einem Gemisch aus Acryllack, schwarzer Farbe und Wasser in einem nach außen hin dunkler werdenden Graustufenverlauf bemalt. Abschließend wurden auf den „Inseln“ und Flächen mit Cracklepaste und Modelliermasse mit Nachtleuchtfarbe bearbeitete Glassplitter angebracht.

Der Betrachter des Werks kann einige besondere Formen innerhalb der Bildstruktur ausmachen: So grenzen die äußeren Crackleinseln die Konturen vom Land Sachsen-Anhalt ab, das jedoch um 90° gekippt wurde und Ost-Süd-Ost nach oben zeigt. Der fast freie Bildabschnitt in der Mitte stellt die Landeshauptstadt Magdeburg, ebenso gekippt, in vergrößerter Form dar. Dabei hat es die Wirkung eines in der Mitte liegenden durch Schlagen aufgepumpten Herzens.

Die Inseln, die entlang den Konturen Sachsen-Anhalts und denen Magdeburgs liegen, zeigen hebräische Schriftzeichen, die den oben genannten Satz (Exodus 25.8) bilden.

Pawel Pisetzki deutet mit seinem Werk auf Perspektiven und Bedeutung / Zeitdimensionen aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hin. Dabei bilden insbesondere die modellierten Strukturen mit ihren verschiedenen Schichten, der Betrachter selbst und der blaue Untergrund als Himmel und die Linien eine besondere Position innerhalb des Werks. Die Strukturen samt Schichten bilden die Vergangenheit. Der Betrachter des Werks steht für die Gegenwart, während Himmel und Linien zusammen als Zukunft zu verstehen sind.

Im Kontext des jüdischen Glaubens / Judentums deutet Pawel Pisetzki die Bedeutung der Synagoge als Versammlungsort zukünftiger Generationen, die in der Synagoge einen Ort der Heimat / zum Bleiben finden. Die zahlreichen Sterne, die sich durch die erdachten Linien in Richtung der Bildmitte bilden würden, stehen dabei für die nächsten Generationen Der Stern selbst, in gelber Interferenzfarbe, „leuchtet“ nur bei direktem Lichteinfall und unterstreicht dadurch Pisetzkis Deutung des Davidsterns als Sonnensymbol. Als „Sonne der Zukunft“ geht sie in Ost-Süd-Ost auf und weist in Richtung Jerusalems. In Anlehnung dessen auch die im Bild gekippten Konturen Sachsen-Anhalts.

Dem Magdeburger Künstler Pawel Pisetzki ist mit diesem Werk zweifelsohne ein im doppelten Sinne vielschichtiges sowie bedeutungsschweres Kunstwerk gelungen, welches seine unterschiedlichen Bedeutungsebenen erst nach und nach, zum Teil jedoch auch in unterschiedlichen Lichtverhältnissen, preisgibt.

Maj-Britt Wilkening 2014